Geschichte



Als in den frühen Nachkriegsjahren in Deutschland die Modellbahn-Industrie wieder langsam begann, ihre meist aus der Vorkriegszeit bekannten Artikel zu fertigen, waren da auch einige Hersteller, die ihre Chance suchten mit teilweise innovativen neuen Ideen. Vor allem aber, wollte man mit einem kleineren Maßstab dem Wohnraummangel der Bevölkerung entgegen kommen.
So haben in den ersten Jahren nach 1945 auch bis dato in der Modellbahn-Branche völlig unbekannte Firmen versucht, eine Bahn, unterhalb der Spurweite 00 vorzustellen.

Neben einigen anderen, mehr oder weniger erfolgreichen Herstellern von Modellbahnen auf 12mm Gleisen versuchte es 1949 auch das Rheinisch-Westfälische-Kunststoffwerk Kettwig/Ruhr (RWK) ihre „Taifun - Elektr. Micro Modellbahn“ am Markt zu präsentieren. Selbst unter TT-Fans ist diese Bahn oft unbekannt. Man weiß von dieser Firma heute nur noch, dass sie während des 2.Weltkriegs Munition herstellte und Erfahrung mit Kunststoffen (Bakelit) hatte.

Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde diese 12 mm, 15 Volt-TT-Bahn auf der Hannovermesse 1949. Dort drehte sie ihre Runden auf einer kleinen Gebirgsanlage mit Tal- und Bergstation, Brücken und Tunnel. Für DM 58.- bekam man eine Startpackung mit allem Zubehör für einen sofortigen Spielbetrieb.
Eine erst kürzlich aufgetauchte, optisch gleiche Bahn namens „OTO - Elektr. Mikro Modellbahn“ brachte Interessantes an den Tag. Das gleichfalls dazu gehörende Prospekt ist der TAIFUN Broschüre sehr ähnlich. Der Hersteller auf diesem Prospekt heißt OTO – Fabrik elektro- und feinmechanischer Erzeugnisse, Ludwigsburg. In einem heute noch existierenden Spielzeuggeschäft in Ludwigsburg erinnert man sich, in der damals noch im gleichen Gebäude angesiedelten Druckerei, dieses Prospekt gedruckt zu haben. Zu dieser Druckerei gehörte zu jener Zeit auch ein angeschlossener Schreibwarenladen mit kleiner Spielzeugabteilung, in dem der Sohn des Druckers mit einer „Otto-Bahn“ spielte.

Interessant ist das Erscheinungsjahr, denn das lässt sich exakt auf 1948 datieren. Auf der letzten Seite steht zu lesen: Zu Weihnachten 1948 lieferbar, 1 komplette Anlage für DM 92,50 ! Sämtliche Einzelteile können ab Januar auch einzeln bezogen werden. Somit also schon einige Monate früher, als das RWK auf der Hannovermesse damit in Erscheinung trat! In dieser kurzen Zeit könnten demnach auch einige Bahnen in den Handel gekommen sein, vielleicht aber auch nur regional begrenzt. Somit ließe sich dann aber auch erklären, warum immer wieder Gleise oder auch Trafos auftauchen mit dem OTO-Schriftzug drauf. Man ging fälschlicherweise bisher davon aus, es könnte sich um die Spurweite 0T0 handeln, mangels Wissen um die Bezeichnung TT.
Wie die „OTO - Mikro Modellbahn“ dann allerdings zur „TAIFUN - Micro Modellbahn“ wurde ist mir nicht bekannt, aber sicher ist, dass schon fertig produzierte Teile übernommen worden sein müssen, an denen man erkennen kann dass manchmal einfach der OTO Schriftzug entfernt wurde.

Es ist anzunehmen, dass nur wenige Taifun-Packungen verkauft wurden, einiges war wohl doch noch nicht völlig ausgereift. Vielleicht war es auch nur die fehlende Erweiterungsmöglichkeit, die zwar angekündigt wurde, aber letztendlich doch nie zur Verfügung stand? Die Produktion wurde wahrscheinlich noch im Jahr 1949 wieder eingestellt, eine hergestellte Stückzahl ist nicht bekannt.
Für Sammler ist es schwierig, eine Taifun-Bahn vom RWK zu finden, denn sie ist heute sehr selten am Markt anzutreffen, der OTO-Urtyp ist wahrscheinlich noch rarer.
Interessanterweise hat sich aber der Motor aus dieser Bahn noch eine ganze Weile länger am Markt gehalten. Unter dem Namen „Kettwig-Motor“ taucht er immer wieder in älteren Modellbahnzeitschriften der Jahre 1949-1952 auf und wurde von wechselnden Herstellern als „Einbaumotor für Modellbahnen“ angeboten. Danach verschwindet er aus den Zeitschriften.

Die Taifun-Bahn war somit die erste TT-Bahn in Westdeutschland, die sofort nach dem Erscheinen wieder verschwand, also doch nur ein laues Lüftchen statt einem Tropensturm....

Neu:

Wer verbarg sich eigentlich hinter den 3 Buchstaben OTO ? Nun, das Rätsel ist gelöst! Sein Name: Franz Marx.

Bekannt wurde er wohl eher als Entwickler und Hersteller von Elektromotoren, die international höchste Anerkennung in Modellbau-Kreisen besitzen, heute immer noch produziert werden und auch weiterhin äußerst beliebt sind im Schiffs-Modellbau.

Er beschäftigte sich in den Nachkriegsjahren aber auch viel mit Kunststoffen und war als „Kunststoffberater“ bei vielen Firmen in Deutschland unterwegs, vor allem auch häufig im Ruhrgebiet. So liegt der Schluss nahe, dass es schon frühzeitig eine Verbindung zum RWK gegeben haben muss, welches dann auch von Anfang an die Produktion der OTO Modellbahn übernehmen hätte können. Ob seine kleine Bahn von Beginn an dort produziert wurde, lässt sich allerdings gegenwärtig nicht mit Sicherheit bestätigen.

In den Folgejahren widmete er sich dann allerdings verstärkt dem Elektromotorenbau und gründete die Firma Marx-Motoren in Ludwigsburg. Nur eine kurze Episode führte ihn noch mal zur Modelleisenbahn zurück, er entwickelte schon früh ein modernes Kunststoffgleis für einen großen Modellbahnhersteller, welches aber erst viel später in abgewandelter Form auf den Markt kam. Seiner Witwe, Fr. Marx zufolge, soll seine Aussage gewesen sein, es wäre zu früh gewesen, als die Zeit noch nicht reif dafür war! Sein OTO-Erbe ruht derweil zusammen mit vielen anderen Kisten verpackt in einem Lagerraum, vielleicht wird es eines Tages aufgearbeitet....